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Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V.

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Und - zack - ist die Nadel auch schon drin!

Klaus-Dieter Zastrow

Infektionen zu vermeiden bedeutet für Kliniken bares Geld, behauptet Klaus-Dieter Zastrow, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Aber manche wüssten nicht mal, wie Hygiene geschrieben wird.Das folgende Interview mit Dr.Klaus-Dieter Zastrow führte Dr. Lorenz Goslich.

L. Goslich: Ist Hygiene ein teurer Spaß für Krankenhäuser?

K.-D. Zastrow: Im Gegenteil. Früher waren Krankenhaus-Infektionen für sie kein Nachteil. Ein ärztlicher Direktor hat mir einmal gesagt: Warum soll ich für Hygiene Geld ausgeben und weniger Belegung in Kauf nehmen? Ich bekomme ja für jeden Tag, den der Patient länger im Krankenhaus bleibt, Geld. Aber mit den DRGs erhält man für sieben bis 10 Tage Behandlungsdauer die Summe X. Muss die Verweildauer wegen eines Infekts auf 20 Tage verlängert werden, kann man, um zusätzlich bezahlt zu werden, höchstens nach einer weiteren Diagnose suchen.

Ist das nicht Betrug?

K.-D. Zastrow: Zu behaupten, dass so etwas inzwischen üblich ist, wäre übertrieben. Aber man muss sicher nach Möglichkeiten suchen, den Krankenkassen längere Verweildauern zu erklären. Natürlich wird man keine Krankheiten erfinden können, aber man versucht hier und da, eine weitere Diagnose zu finden.

Wie viele Krankenhaus-Infektionen wären vermeidbar?

K.-D. Zastrow: Jährlich gibt es in Deutschland 800.000 bis eine Million Krankenhaus-Infektionen. In der Literatur wird der vermeidbare Anteil mit 30–50% angegeben. Danach sind mindestens 300.000–400.000 Krankenhaus- Infektionen pro Jahr vermeidbar.

Was bedeutet das wirtschaftlich?

K.-D. Zastrow: Infektionen verursachen im Durchschnitt zusätzlich sieben bis zehn Tage Krankenhaus-Aufenthalt für die Patienten. Bei 300.000 vermeidbaren Infektionen pro Jahr und durchschnittlichen 10 Tagen längerer Verweildauer sind das drei Millionen Tage pro Jahr. Da geht den Kliniken viel Geld verloren. Eher dürften es 400.000 Fälle jährlich sein – also vier Millionen Tage. Früher wurden pro Tag durchschnittlich 250–300 € Pflegesatz bezahlt. Vier Millionen Tage mal 300 € – das sind 1,2 Mrd.€ Einsparung bei optimaler Hygiene.

Sie behaupten wirklich, Infektionsvermeidung sei für eine Klinik bares Geld?

K.-D. Zastrow: Daran kann kein Zweifel bestehen: Eine Reduzierung der nosokomialen Infektionen verbessert die Wirtschaftlichkeit einer Klinik.Wenn sie von der Krankenkasse für einen bestimmten Fall 3.500 € erhält und der Patient nach drei Tagen als gesund entlassen wird, hat sie mehr verdient, als wenn er wegen einer Infektion 10 Tage länger bleibt.

Aber man muss auch die Kosten der Hygiene dagegen rechnen.

K.-D. Zastrow: Ins Gewicht fallen vor allem die Personalkosten. Aber sie sind überschaubar: Für rund 100.000 € im Jahr kann man eine funktionsfähige Hygieneabteilung mit einem Arzt für Hygiene und einer Hygienefachkraft aufbauen. Die Sachkosten sind minimal. Allerdings sollte manches ernster genommen werden. Ein Blasenkatheter aus Silikon etwa kostet 3 € gegenüber einem aus Latex, der für 50 Cent zu haben ist. Fachleute empfehlen Silikon-Katheter, um das Risiko von Harnwegsinfektionen zu reduzieren. Was sonst an Material und Desinfektionsmitteln benötigt wird, ist sowieso vorhanden. Leider werden die Produkte nicht immer richtig benutzt.

Tatsächlich?

K.-D. Zastrow: Wie häufig die erforderliche Einwirkzeit nach der Hautdesinfektion nicht beachtet wird, ist fast grotesk. Der Alkohol muss nun mal mindestens 30 Sekunden, manchmal sogar eine Minute auf der Haut einwirken. Das steht in allen Hygieneplänen. Dadurch entstehen keine höheren Kosten. Aber wie oft kann man beobachten, dass das Desinfektionsmittel aufgebracht wird und – zack – die Nadel auch schon drin ist. In diesem Fall ist das Geld für das Desinfektionsmittel sogar zum Fenster hinausgeworfen. Also 100.000 € Kosten für eine vernünftige Hygiene.

Was kann demgegenüber eingespart werden?

K.-D. Zastrow: In einem Krankenhaus mit 450 Betten und 10.000 Patienten im Jahr kommen bei 5% Infektionsrate und durchschnittlich sieben Tagen längerer Verweildauer 3.500 Tage zusammen. Setzt man 300 € pro Tag an, sind das mehr als 1 Mio.€.Wenn 40% der Infektionen vermieden werden, sind 400.000 € eingespart.

Das ist doch ein gutes Geschäft, wenn man 100.000 € investiert hat. Die Defizite vieler Krankenhäuser müsste man demnach – man glaubt es kaum – mit Hilfe guter Hygiene verringern können.

K.-D. Zastrow: Der schludrige Umgang mit der Hygiene ist sicher einer unter vielen Gründen dafür, dass viele Kliniken wenig wirtschaftlich sind. Die Verantwortlichen sollten mal schauen, wie es bei ihnen mit den Verweildauern ausschaut und woran es liegen könnte, wenn sie recht lang sind. Möglicherweise werden sie auch auf Krankenhausinfektionen stoßen, für die ja seit 2001 eine gesonderte Erfassung zu erfolgen hat.

GIT SterilTechnik 03/2004, S. 14, GIT VERLAG GmbH & Co. KG, Darmstadt, www.gitverlag.com/go/steriltechnik

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